Foto:
Dietrich Fischer
Chaos Murmeln –
Eine Ausstellung mit Werken von Neno Arslana
Chaos Murmeln – das sind neun, archaisch anmutende Bildtafeln. Stellen sie
kosmische Planetenkonstellationen dar? Sind hier Erinnerungen an bunte
Glasmurmeln aus Kindheitstagen eingeschrieben? Ist hier die Suche nach einem Weg
aus dem Chaos gemeißelt?
Der Künstler Neno Arslana lotet dies in seiner aktuellen Werkreihe aus. Auf neun
Bildtafeln spielt er mit seinen Freunden aus Kindertagen eine imaginäre Partie
Murmeln. Momente des Erinnerns an längst vergangene Zeiten, an Leichtigkeit und
Kinderlachen, an Siege und Niederlagen mögen mitspielen. Manche der Freunde
haben heute noch Kontakt, manche haben sich im Chaos des Lebens aus den Augen
verloren, manche sind schon aus dem Spiel des Lebens ausgeschieden.
Doch einst waren es 27 Freunde. Kinder aus verschiedenen Kulturen, Religionen
und Schichten, die in den Straßen Sarajevos zum Spiel zusammenfanden – der
Bosnienkrieg war da noch fern. Jeder dieser Freunde ist mit einer Murmel dabei.
Arslana ließ im Werkprozess die jeweiligen Spielerkugeln nach dem Prinzip Zufall
auf das Bildfeld fallen. Diese Dynamik lässt sich in den verbindenden Linien und
Pfeilen zwischen den Murmel-Abdrücken noch erahnen. Auf jeder Bildtafel sind
drei Spieler mit insgesamt sieben Spielzügen präsent: Die Zahlen drei und sieben
haben in vielen Kulturen und Religionen eine symbolische Bedeutung. Ihre Deutung
überlässt der Künstler hier denjenigen, die wachen Auges schauen. In der
Zielmulde endet keine der Kugeln. Einen Sieger gibt es nicht.
Arslana zielt mit seinen 'Chaos Murmel' über den erinnerten Zauber von Kindheit weit hinaus. Er möchte Inspirationsräume eröffnen: Jeder wird in diese Welt hineingeboren und jeder stirbt hier. Dazwischen ein Leben, in dem oft genug nur das Siegen zählt. Doch bei 'Chaos Murmeln' gibt es keinen Gewinner. Stattdessen … Lebensentwürfe? Jeweils zwei Murmelpunkte eines Spielers sind mit einem Richtungspfeil verbunden und aus der Abfolge der Spielzüge entsteht eine Bewegungsstruktur. So wie auch das Leben jedes Einzelnen eine erhoffte oder unerwartete, eine glückliche oder unheilvolle Wendung nehmen kann. Jede Wendung kann als Zufall oder als unabwendbares Schicksal oder als gottgewollte Fügung erfahren werden.
Die neun ausgestellten Bildtafeln umkreisen diese Aspekte von Leben, Zufall und
Schicksal. Oder besser: Das Leben als Strom sinnfälliger Begebenheiten und
Begegnungen? Allein, dass diese Werkreihe von Neno Arslana den Weg in diese
Kirche gefunden hat, ist mehr als ein Zufall, es ist ein sinnfälliges
Zusammenkommen. Denn hier in der Ev. St. Marienkirche in Dortmund und in der
Stille dieses spirituellen Raumes eröffnen sich ungeahnte Dimensionen: die
imaginären Glasmurmeln finden ihr Pendant in den Gebets-Impuls-Glassteinen am
romanischen Taufbecken, das Material und die zurückhaltende Farbigkeit der
Bildtafeln korrespondieren mit dem mittelalterlichen Mauerwerk, der rötliche
Bildhintergrund antwortet auf die farbigen Einlassungen der darüber
befindlichen, modernen Kirchenfenster.
Die Bildwerke und die Kirchenfenster treten in Dialog, denn auch den Fenstern
sind fragile, chaotische, mäandernde Linien eingeschrieben, die auf Schicksal
und Suche des Menschen verweisen. Bei den Kirchenfenstern werden diese
chaotischen Linien hinterfangen von einer streng vertikalen Struktur, sie werden
gleichsam aufgefangen von einer größeren Macht – der Schöpfung, der Hoffnung,
des Glaubens?
Nicht nur die Kirchenfenster, auch die Bildobjekte von Neno Arslana stellen
Fragen und laden ein, Antworten zu suchen.
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Dietrich Fischer
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